Depressionen | Gastartikel von Scirleah

Der heutige Beitrag erreichte mich nach einem meiner Aufrufe auf Twitter. Und ich habe mich sehr darüber gefreut, weil er den Aspekt von Depressionen bei Müttern beleuchtet. Depressionen sind an sich schon ganz furchtbar, wenn man nur für sich selbst verantwortlich sind, aber wenn man Mutter ist, sind sie eine ganz besondere Herausforderung. Ich danke Dir meine Liebe, dass Du mir diesen tollen Text geschickt hast. Scirleah schreibt auch einen tollen Blog, den ich Euch nah ans Herz lege. Danke, dass Du mitgemacht hast. <3
Dies ist nun der vierte Anlauf, einen Beitrag über Depressionen einer Mutter zu verfassen. Ich hätte niemals gedacht, dass es mir so schwer fällt darüber zu schreiben und doch sitze ich nun zum vierten Mal hier und suche nach Worten für das, was in mir vorgeht.

Denn Depressionen bei Müttern sind ein Tabu-Thema!
Erst recht bei denen, die nicht arbeiten.
Jeder versteht ja in dieser so verständnisvollen Welt des „Burnout“, dass
einer arbeitenden Mutter wirklich alles mal zu viel werden kann. Aber einer Mutter, die zu Hause ist? Noch dazu mit zwei Kindern, die halbtags in der Kita sind?

Depressionen aber sind das Monster, das unter deinem Bett lauert …
Das Problem ist, dass Depressionen eben kein Burnout sind, auch wenn dieser Gedanke nahe liegt, denn ein klassisches Burnout ist eben eine Überlastungsdepression – oder so was ähnliches, verallgemeinern kann man das nämlich auch nicht. Depressionen aber sind das Monster, das unter deinem Bett lauert, nur dass es eben nicht dort unten unter dem Bett wohnt, sondern in deinem Kopf. Dort sitzt es und wartet darauf, all die Zweifel, all die dunklen Gedanken, die Müdigkeit, die Erschöpfung, die negativen Gefühle gegen dich zu verwenden. An manchen Tagen habe ich Glück und das Monster ist zu müde, zu unmotiviert oder ich bin einfach zu entschlossen, mich nicht fangen zu lassen, doch an anderen Tagen fehlt mir die Kraft dafür und das Monster ist zu stark, zu sehr darauf aus, mich hinab zu ziehen, in dieses tiefe, schwarze, kalte Loch.

Mit jemandem darüber zu reden, ist beinahe unmöglich.
Was es nämlich so schwer macht, ist der Glaube unserer Gesellschaft, dass die Mutterschaft für alle Frauen die reine Erfüllung ist. Und mit der Erfüllung kommt das Glück. Und wer glücklich ist, kann nicht depressiv sein, oder?

Es wäre schön, wenn es so einfach wäre.

Leider ist es das nicht.

Großes persönliches Ruhebedürfnis vs. Muttersein
Ich persönlich bin ein sehr introvertierter Mensch. Ich brauche viel Ruhe, persönlicher Kontakt zu Menschen, die nicht zu meinen Herzmenschen gehören, fällt mir sehr schwer. Und auch Kontakt zu Herzmenschen überfordert mich schnell. Ich bin schnell überreizt und vertrage anhaltende Geräuschkulissen nur eine gewisse Zeit lang. Im Grunde also die perfekten Voraussetzungen dafür, Mutter zu sein. Natürlich nicht. Denn als Mutter bist du 24/7 in Aktion. Es gibt für dich kein Herunterfahren, allerhöchstens ein Standby. Deine Gefühle, deine Grenzen, deine Bedürfnisse stellst du meistens hinten an, denn natürlich müssen Kinder zwar lernen, diese zu respektieren, aber das ist ein Prozess und klingt in der Theorie leichter, als es in der Praxis ist. Kinder sind laut, sie sind wild, sie gehen an ihre und meine Grenzen und das müssen sie auch! Dass ich das weiß, macht es aber nicht immer leichter, damit umzugehen! Vor allem nicht, wenn ich permanent das Gefühl vermittelt bekomme, ich müsste doch eigentlich den ganzen Tag glücklich und voller Liebe durch die Welt laufen, weil ich diese Kinder ja wollte.

„Es stimmt.

Ich wollte diese Kinder.

Ich wollte sie, ich will sie und ich werde sie immer wollen.

Und ich liebe sie.

Von ganzem Herzen. Unendlich.“

Manchmal aber kann ich diese Liebe nicht spüren.
Manchmal aber kann ich diese Liebe nicht spüren. Ich weiß, dass sie da ist. Ich suche sie, ich versuche nach ihr zu greifen, mich daran festzuhalten. Und es gelingt mir nicht. Ich bin so unendlich müde und kraftlos, ich bin all das Elend auf der Welt so furchtbar leid und glaube, es nicht einen Tag länger ertragen zu können.

Ich frage mich:
„Wann hört das endlich alles auf?

Wann darf ich endlich glücklich sein?

Wann darf ich endlich ich sein?“

Ich frage mich:
„Wieso KANN ich nicht einfach glücklich sein?

Liebe ich zu wenig?

Was stimmt mit mir nicht?“

Mir ist innerlich kalt und ich bin nicht in der Lage, die Gefühle, die ich nicht nur zu meinen Kindern, sondern auch zu meinem Mann und meinen Herzmenschen habe, zu empfinden.

An diesen Tagen funktioniere ich nur.
Ich stehe auf, weil ich es muss. Ich ziehe die Kinder an, weil ich es muss. Ich mache ihnen Essen, weil ich es muss. Ich spiele mit ihnen, weil ich es muss. Ich lache mit ihnen, weil ich es muss. Ich funktioniere – für meine Kinder, weil sie mich brauchen!

Ich kann nichts dagegen tun…
Und ich hasse mich dafür, dass ich nicht mehr kann, als nur zu funktionieren. Ich weiß, dass dieser Hass dumm ist, dass dieser Hass das Monster füttert und es stärker macht. Aber ich kann nichts dagegen tun. Ich kann nichts dagegen tun, dass ich mich frage, ob meine Kinder nicht eine bessere Mutter verdient hätten – eine, die immer Spaß daran hat, mit ihnen zu spielen, eine, die nicht dauernd an sich denkt, eine, die die Liebe, welche sie zeigt, auch empfinden kann. Ich kann nichts dagegen tun, dass ich daran zweifle, meinem Mann eine gute Frau zu sein – eine, die ihn mehr unterstützt, den Haushalt besser im Griff hat, ihm öfter mal ein Abendessen kocht. (Nicht, dass er das erwarten würde, er ist wirklich ein fantastischer Ehemann und Vater!) Ich kann nichts dagegen tun, dass ich mich frage, ob ich je den Mut haben werde, die Frau zu sein, die ich sein möchte oder ob ich immer in dieser Endlosschleife von Zweifeln und Ängsten gefangen sein werde.

Ich kann nichts tun.
Ich bin hilflos.
Gefangen in der Angst und der Dunkelheit.
Gefangen in dem Gefühl, für die Menschen um mich herum eine Last zu sein.

Suizidgefährdet – es trifft auch Mütter!
Wenn ich in dieser Situation bin, dann haben logische Gedanken kaum eine Chance zu mir durchzudringen. Meine Vernunft ist stumm eingesperrt in einem dunklen Gefängnis und läuft gegen die Wände an. Ich habe Glück, denn ich bin aufgrund persönlicher Erfahrungen nicht suizidgefährdet – die Erfahrung machen zu müssen, ein Hinterbliebener zu sein, hat zu viel Macht, als dass ich irgend jemandem dieses Gefühl aufbürden könnte – aber oft ist es nur der Gedanke genau daran, der mich zurück reißt aus der Dunkelheit, der mich das Licht meiner Kinder, meines Mannes und meiner Herzmenschen wieder sehen lässt. Daran kann ich mich festhalten, Kraft finden und Liebe. Aber das geht nicht allen Müttern mit Depressionen so! Und das hat nichts, aber auch rein gar nichts mit Selbstsucht zu tun oder dem Vorwurf, seine Kinder im Stich zu lassen. Im Gegenteil: Steckt man in einer Depression fest, empfindet man sich selbst als Last für alle anderen, insbesondere für jene, die einem am nächsten stehen. Die Dunkelheit, der Schmerz, all das ist so überwältigend, dass es für Betroffene oft keinen Ausweg zu geben scheint. Es bildet sich der Gedanke, dass es für die Kinder, die Familie und Freunde eine Erleichterung sei, wäre man selbst nicht mehr da. Sicher, sie würden trauern, eine Weile, aber dann würde es einfacher, denn sie wären endlich frei von der Last des Depressiven. Logische Argumente erreichen einen in dieser Situation nicht, denn steckt man in dieser Situation, gleichen die Gedanken einer Spirale, die nur eine Richtung kennen. ABWÄRTS.

Ein achtsamer Umgang wäre wichtig.
In solch einer Situation – wie in so vielen anderen auch – wäre es wichtig, dass mit diesen Menschen achtsam umgegangen wird, dass sie ernst genommen werden.

Wie oft höre ich Dinge wie:
„Reiß dich zusammen!“
„Das wird schon wieder!“
„Das sind die Hormone!“
oder ganz schlimm
„Liebst du deine Kinder etwa nicht genug? Das müsste doch reichen!“

Dann werde ich stumm, ich setze ein strahlendes (falsches) Lächeln auf und sage Sachen, wie:

„Sicher. Ich bin wahrscheinlich nur müde!“
oder
„Ach es ist einfach viel Stress im Moment!“
Und innerlich weine ich, bin enttäuscht und bete, dass ich beim nächsten Mal auch wieder die Kraft habe, dem Monster zu entkommen. Und dass das Gefühl des Hinterbliebenen niemals seine mahnende Macht verliert.

Anmerkung:

Dieser Text stellt nichts als eine Schilderung meiner Situation dar. Er hat keine             Allgemeingültigkeit, denn jede Depression ist so anders, wie wir Menschen alle             unterschiedlich sind. Ich maße mir nicht an, zu verstehen, wie es anderen Depressiven da draußen geht. Ich hoffe aber, dass der Text hilft, zu verstehen, dass er vielleicht Augen öffnet. Und ich bitte damit um mehr Achtung für Mütter, für die schwere Arbeit, die sie jeden Tag leisten. Für die Verantwortung, die sie tragen. Und dafür, dass diese Arbeit  manchmal einfach nicht mehr zu bewältigen ist, egal wie groß die Liebe zu den Kindern und die Freude, die sie bringen, ist. Denn als Mutter ist man immer im Dienst, muss man immer für mehrere Personen denken und planen. Mamas sind nicht krank, sie sind nicht schwach. Sie sind immer da!

Ich bitte euch, hinzusehen, hinzuhören.
Hinter das Lächeln einer Mutter zu schauen und ihre Erschöpfung wahrzunehmen.
Denn wir alle brauchen unsere Mütter!

Kommentare (2)

  1. Ein toller Text. Habe mich in so vielen Stellen wiedererkannt. Ich gehe erst seit Kurzem wieder Arbeiten.
    Es ist einfacher als übermüdet abgestempelt zu werden. Zum Glück bin ich derzeit wegen einer andere Sache in Therapie. Denn ich hatte urplötzlich einen Rückschlag und konnte mit meiner Therapeutin darüber sprechen. Sie hat mich ernst genommen. Mein Partner versteht es einfach nicht immer die gleichen Sätze „ja aber warum bist du grade so drauf? Grundlos ? Das ist so bescheuert“ irgendwie so in der Art .
    Und ja ich hatte darüber nachgedacht einfach aus dem Fenster zu springen. Habe mir gedacht meine Tochter ist ohne mich besser dran.

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