Die weiße Dame

Seitdem die liebe Nessy vor ein paar Tagen eine Alltagsgeschichte gepostet hat und dabei von ihrem Ansprechgesicht sprach, ist mir wieder eingefallen, wie oft mir selbst auch solche Geschichten passieren und auch ich möchte sie gerne aufschreiben.

Gestern Nachmittag ist mir wieder eine Begebenheit passiert, die ich gerne festhalten möchte. Ich kam gerade aus dem Haus, bepackt mit Fahrradhelm, Gummistiefeln etc., um den Keks von der Kita abzuholen und mit ihr zum Reitstall zu fahren.
Ich war gerade am Auto auf der gegenüberliegenden Parkbucht angekommen, da sah ich auf dem Bürgersteig hinter mir eine Frau. Sie war fast ganz in weiß gekleidet, sie trug eine weiße Jeans, einen weißen Blazer, ein etwas dunkleres T-Shirt, hatte sehr lange, dunkelrot gefärbte Haare, eine mega schicke siebziger Jahre Sonnenbrille und war adrett geschminkt.

„Entschuldigen Sie, das ich Sie kurz anspreche… mir ist ein bisschen… mir geht’s nicht so gut und ich muss noch bis zur Straße XY, da wohnen entfernte Verwandte von mir und mir geht’s nicht so gut…“
Sie kam auf mich zu und ich konnte sehen, dass sie Schweißperlen auf der Stirn. Kein Wunder, es ist ja total heiß und sie trug einen Blazer. Ich schaute verstohlen auf die Uhr, dachte kurz nach und überlegte nicht lange und sagte:

„Ok, ich fahr Sie kurz hin.“ Sie war total perplex, weil sie laut ihrer Aussage mit der Antwort gar nicht gerechnet hatte. Sie war ein bisschen verwirrt, weil sie mich in eine andere Richtung schicken wollte, aber die XY-Straße ist nun mal in die andere Richtung. Kaum dass wir losgefahren waren, fing sie an zu erzählen: Sie sei gerade im Krankenhaus gewesen für ein paar Tage und dass war alles so schlimm, man hat ihr letztes Geld für diesen Monat im Krankenhaus geklaut und sie hatte da so paar Dinge… sie habe immer allen geholfen, aber die vier Bekannten, die sie angesprochen hat, hätten hier nicht helfen wollen, ihre Tochter wohnt in Hilden und sei ’sehr sehr weit weg‘. Auf meine Erwiderung, sie könnte doch Geld überweisen sagte, sie „ach ne, lieber nicht.“

Aufgrund ihrer Ausdrucksweise und ihres ganzen Verhaltens überlegte ich eine Sekunde, bevor ich sie fragte und sprach dann frei heraus: „Waren Sie in der Psychiatrie?“ „Ja, da war ich, das kann man wohl so sagen, ich hatte ein paar Dinge.. ich habe mit ein paar Dingen zu tun und ich bin immer mal wieder da, ich muss das alles mal regeln, aber ich bin schon 77.“ Ich sag: „Wie bitte?? SIE sind 77? Also wenn ich mit 77 noch so aussehe, dann habe ich ja alles richtig gemacht.“

Sie lacht und sagte, dass sie das immer wieder hört, dankeschön.

Wir sind angekommen am Ziel der Reise und sie bittet mich, kurz zu warten weil sie gar nicht weiß, ob die Bekannten da seien. Ich frage: „Haben Sie sich gar nicht angekündigt?“ „Nein, ich habe kein Handyguthaben mehr.“ Ich frage sie: Wo wohnen Sie denn?“ „Auf der XX-Straße.“ Das ist dann wieder zurück in meine Richtung. „Ja, da muss ich gleich wieder hin, vielleicht können Sie kurz warten??!“ Ihre Stimme zittert. „Ok, gehen Sie klingen, ich warte kurz, ansonsten nehme ich Sie mit zurück.“

Als die Dame nach 5 Minuten nicht wiedergekommen ist, fahre ich los und denke noch sehr lange an Sie zurück.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

%d Bloggern gefällt das: