In Zeiten der Krone

Heute endet die dritte Woche Homeoffice mit Kinderbetreuung. Uns geht es so wie den meisten: Wir haben genug. Genug davon, nichts ganz unternehmen zu können, niemanden treffen zu können, nichts entweder oder zu machen, sondern immer gleichzeitig: Arbeiten und Kind betreuen. Ich habe genug davon, mein Kind zur Ruhe zu ermahnen, weil ich telefonieren muss. Ich habe genug davon, mein Kind mit Checker Tobi alleine zu lassen. Gegessen wird neben dem Laptop, alles ist nichts Ganzes. Ich zerreiße mich zwischen den vielen unterschiedlichen Anforderungen, die der Alltag gerade an mich hat.

Ich sorge mich um mein Kind, dem außer ihren Eltern alle Bezugspersonen und sozialen Kontakte weggebrochen sind. Ich fange also auch auf, was jeder andere Bezugsmensch für das Kind bedeutet: Die strengere Erzieherin, die alberne Erzieherin, die bastelfreudige Erzieherin, die nie neinsagende Oma, der Schwimmlehrer, der Sportrainer, die Pferdebesitzerin usw. Sie alle sind das Dorf für mein Kind, auf das wir derzeit verzichten müssen. Sie vermisst darüber hinaus ihre Freund*innen und ist immer furchtbar traurig, wenn ich eine Verabredung verneinen muss.

Ich hätte nicht erwartet, WIE stark die Wucht des Ganzen sich hier auswirkt, die psychische Belastung ist wirklich groß. Wir haben gesichert noch zwei Wochen vor uns, niemand weiß im Moment, wie es danach weitergeht. Die Vielzahl der Gerüchte, Meinungen und Ideen, was nach dem 19.4. passiert macht mir enorm zu schaffen, diese Ungewissheit ist enorm kräftezehrend.
Es ist mir egal, dass ich im Moment nicht essen gehen kann, kein Konzert besuchen oder shoppen kann, darauf kann ich noch eine ganze Zeit verzichten. Aber uns fehlen soziale Kontakte, Gäste, Grillereien, Gespräche, tobende Kinder und Abwechslung. Stattdessen sind alle Tage gleich. Für das Kind sind sie manchmal unerträglich lang, die Nächte von Alpträumen und Ängsten begleitet, die Tage von Meltdowns. Das kommt eben noch obendrauf zu der Mehrfachbelastung und ich muss so langsam wissen, wie lange wir den Zustand aushalten sollen. Damit ich mich darauf einstellen kann. Irgendwie.

Ich finde auch nicht so recht Trost im Moment und habe nur die Hoffnung, dass wir das am Ende halbwegs unbeschadet überstehen. Ich MUSS das glauben, sonst werde ich verrückt.

„Ganz tapfer seid ihr!“ schrieb meine Kollegin gestern. Ich bin nicht tapfer. Ich habe schlicht und einfach keine Wahl. Der schwarze Hund bellt vor der Tür und ich werde alles dafür geben, dass er mir nicht in die Bude pinkelt.

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